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Über die göttliche Unmenschlichkeit (2009)


Was immer ein Mensch tut, er oder sie tut es als Mensch, seine Handlung ist, und das kann nicht anders sein, eine menschliche Handlung. Ein Mensch kann somit unmöglich unmenschlich handeln, unmenschlich sein. Es sei denn, er trete vollständig aus seiner menschlichen Existenz heraus in eine Sphäre des Unmenschlichen eben, eine notwendigerweise auch substantiell nicht-menschliche Lebensform, sei sie tierisch-viehisch, sei sie göttlich.

Natürlich, wir haben den Menschen als, sagen wir, biologische Gattung, die sich von anderen Lebewesen und Lebensformen unterscheidet. Tiere und Steine, Wasser und Luft sind nicht menschlich. Menschliche Handlungen können die gleiche bestialische Qualität wie die der Tiere, die gleichen desaströsen Konsequenzen von Naturgewalten haben, wären aber immer noch menschlich in der Ausführung.

Selbstverständlich, wenn wir von unmenschlich reden, meinen wir Handlungen, Einstellungen, die einem bestimmten Bild von Menschlichkeit widersprechen. Der Mensch als moralisch und sozial verantwortliches Wesen dieser Erde.[1]

Die große, grundlegende Frage ist also, wer oder was ist der Mensch. Ohne diese Frage zu klären, kann vernünftigerweise nichts zu der Qualität einer danach zu justierenden Unmenschlichkeit gesagt werden. Wer also ist ein Mensch?

Alle die menschlichen Wesen, die heute leben? Alle Deutschen, alle Europäer, alle Amerikaner, Nord und Süd, alle Asiaten, alle Afrikaner, alle Australier? Gleich welcher Religion sie anhängen, welchem Beruf sie nachgehen, wie sie ihre Kinder erziehen, welche sexuelle Praktiken ihnen Befriedigung verschaffen?

Für einen Punan auf Borneo sind 99,99 Prozent der Menschen unmenschlich, sofern sie sich deren Existenz bewusst sind, ihren Werten und Taten, ihren Untaten, die auch die Umwelt der Punan zerstören, ihnen die Lebensgrundlage rauben. Und für jeden anderen Menschen auf dieser Erde dürfte ein mehr oder weniger großer Teil der übrigen Menschheit in einem ähnlich bedrohlichen Licht wahrgenommen werden. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von sich selbst als islamistisch motivierten Gotteskriegern (Terroristen) und aufgeklärten Europäern, Amerikanern (Ungläubige). Menschlich, so ein erstes Zwischenfazit, scheint eine Kategorie zu sein, mit der man den Spielraum benennen mag, in dem sich jeder, der in der gleichen Zeit, in der gleichen Region Lebende bewegen möge, um ein Zusammenleben zu gewährleisten, das zum Wohle Aller ist. Und das ist die, ungenau gefasst, westlich aufgeklärte Sicht der Dinge. Denn in jeder westlichen Großstadt prallen, wie man weiß, durchaus unterschiedliche Menschenbilder aufeinander. Das gilt auch, mit veränderten Vorzeichen, für Städte und Staaten, die in Demokratie und Menschenrechten Teufelzeug sehen.

Die Kategorie menschlich/unmenschlich im Hier und Heute zu fixieren erscheint schwer genug. Was aber ist mit den Menschen, die einst lebten und unmenschlich waren? Die Nazis, gut, die waren auch nach heutigem und weitverbreitetem Konsens insgesamt und in individuellen Aktionen unmenschlich. Aber nicht einmal das gilt überall und unwidersprochen. Je weiter man jedoch in die Vergangenheit geht, um so schwieriger wird es, Handlungen nach einem heutigen und vor allem nach welchem Menschenbild zu beurteilen. Nach welchen Kategorien, Kriterien möchten wir denn die Handlungen unserer Nachfolger in Raum und Zeit beurteilen? Selbst wenn wir es gerne so hätten, man kann kaum davon ausgehen, dass sie sich an unsere heutigen (welche davon?) Vorstellungen halten. Was immer sie tun werden, sie werden es aller Voraussicht nach als Menschen tun, selbst wenn sie sich nicht nur technisch und politisch sondern auch moralisch und ethisch und außerdem, wie ich glaube, biologisch verändert haben.

Die Etiketten menschlich und das Gegenstück unmenschlich umfassen soviel Unterschiedliches in Raum und Zeit, in Religion und Lebensform, dass sie allein in der Version unmenschlich eine so unüberschaubare Vielfalt bilden, die gleichzeitig, vorher und nachher menschlich ist. In menschlichen Dimensionen könnte man die Unmenschlichkeit als ewig flirrende Größe sehen, die nahe an das heranreicht, was wir göttlich nennen. Wir, damit meine ich ein paar Menschen im Hier und Heute wie Du und ich.



[1] Das Englische unterscheidet zwischen human, menschlich in der Abgrenzung zum Tier, humane als Forderung zu einer moralisch-ethischen Haltung.

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