Die Deutsche
Demokratische Republik im Oktober 1989, das Land der Massendemonstration und der
Bürgerflucht.
Der aufmerksame
Zeitzeuge im Lande selbst, wie auf der ganzen Welt, erlebte hier den aus der
Verzweiflung geborenen Volkswillen zur tiefgreifenden Veränderung als
treibenden Faktor demokratischer Willensbildung gegen einen maroden
Machtapparat; ein neuer Aufbruch gegen Parteibonzen und Politfunktionäre.
Zum ersten Male
zeigte sich dieser Unwille im Innenraum der westdeutschen Botschaften in Prag
und Warschau. Mit einer beispiellosen diplomatischen Aktion wurde Tausenden von
DDR-Bürgern die Ausreise in die Bundesrepublik ermöglicht. In den Gebäuden
und Gärten der Botschaften waren unhaltbare Zustände entstanden, die das
befremdende Thema dem Betrachter unerbittlich ins Bewußtsein rückten.
Die erste Welle des Exodus verweist auf ein Phänomen gesellschaftlichen
Wandels. Weniger auffällig zuvor schon in den traditionellen Friedensandachten,
in der Nikolai-Kirche beispielsweise. Vor ihrem Portal erste, zaghafte
Transparente und immer brennende Kerzen, eine charakteristische Ausdrucksform
des aus dem Glauben gewachsenen Widerstands. Auch später bei den großen
Massendemonstrationen werden brennende Kerzen vor dem Gebäude des
Staatssicherheitsdienstes auf das Pflaster gestellt. Es ist ein Zeichen der
Zeit, ein Licht der Hoffnung. Das Bild einer Zeit im fast stummen Strom der
Menschen. Die Demonstration als Ort zufälliger Begegnungen, Widerstand als
Alltag und selbstverständliche Äußerung, artikuliert in einem historischen
Moment. Als ob der Regisseur des Dramas genaue Anweisungen gegeben hätte,
entwickeln sich Personen, Positionen, Schritte, ein Realismus des Augenblicks.
Aus: Transit
Wirklichkeit
© by Klaus-Dieter Regenbrecht 2009
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