Was im
Übrigen nicht stimmt, denn bekanntlich gilt „only the good die young!“
Überleben also die Schlechten und Vergesslichen und werden dann zu
elder statesmen. Der political correctness halber und ohne schamhafte
Vermeidung einer Vermischung des Deutschen mit Anglizismen sei in aller
Deutlichkeit festgehalten: Ich will die 68er und insbesondere den
Guerillakrieg der RAF nicht mit der Machtergreifung und der Diktatur der
Nazis vergleichen. Das geht überhaupt nicht, weil man eine kleine
Fraktion einer Generation nicht mit einem Phänomen vergleichen kann,
das in seiner Monstrosität nicht einmal auf Groß-Deutschland beschränkt
war.
Es gibt
unterschiedliche Formen von Krimis, deren Spannung ganz
unterschiedlichen Quellen entspringt, deren Spannungsverlauf ganz
unterschiedliche Formen annimmt. Bei den Krimis, die ihren Grundkonflikt
aus einem Verbrechen, Vergehen in der Vergangenheit beziehen, ist nach
meiner Beobachtung der historische Unterbau des Plots zunehmend in der
68er und RAF-Zeit verankert. Das Ganze ist immerhin vierzig, das
Kriegsende dagegen über sechzig Jahre her. Anders herum, Ende der
sechziger Jahre war das Kriegsende gerade mal zwanzig Jahre her. Für
die medienrelevante Altersgruppe von Zwanzig bis Vierzig ist also
68 entsprechend lange her. Ereignisse einer nicht erlebten
Vergangenheit. Bei einem Verbrechen, das heute in einem Krimi geschieht,
wird wohl keiner aus dieser Zuschauergruppe intuitiv Verfehlungen in jener
Vergangenheit vermuten; Grundlage für Spannung beim schrittweise Enthüllen
der Geschichte. Als Beispiel will ich den Zweiteiler des ZDF anführen: Entführt,
Erstausstrahlung 2. und 4. März 2009.
Thriller Hochkarätig
besetzt, mit einer Paraderolle für Friedrich von Thun als Patriarch,
dessen Imperium ins Wanken gerät
Entführung des Architekten Frank und seiner Tochter – 22 Mio. Euro
fordern die Kidnapper! Undenkbar: Die Familie lebt fast nur vom
Einkommen Lianes, der Frau von Frank. Die Entführer wissen jedoch um
Lianes Vater, den Großindustriellen Targensee. Der ist auch bereit zu
zahlen, obwohl sich Liane schon lange von ihm losgesagt hat. Aber die
Ereignisse rühren an Familiengeheimnisse, und eine Tragödie nimmt
ihren Lauf... (Quelle: http://www.tv14.de)
Eins
der Familiengeheimnisse in diesem Fall: Die Mutter Lianes und
untergetauchte erste Frau des Großindustriellen Targensee war in den späten
Sechzigern, frühen Siebzigern „Salon-Terroristin“. Auch die „Soko
Leipzig“ (ZDF) hatte am 6. März mit einem Fall zu tun, dessen Aufklärung
zurück in die RAF-Zeit führt und den Aspekt beleuchtet, dass die DDR
damals RAF-Mitglieder aufnahm und ihnen neue Identitäten gab.
Dass
also die historische „Unterfütterung“ von Krimi-Plots zunehmend von
der Nazizeit auf diese Epoche verschoben worden ist, liegt nicht an
einer historischen Übereinstimmung im engeren Sinne, sondern allein am
Fortschreiten der Zeit. Und daran, dass die Autoren und Autorinnen von
68 mit ihren Themen und Traumata auch in den "Vorstandsetagen" der Medienmacht Film &
Fernsehen angekommen sind.
Die
Nazizeit selbst dagegen ist längst in Hollywood und US-Verfilmungen
angekommen. Plotmäßig also ausgelutscht und als dunkles Geheimnis der
Vergangenheit nicht mehr zu gebrauchen. Offensichtlich geht mittlerweile alles ein wenig schneller,
denn bekanntlich war der deutsche RAF-Film "Der Baader Meinhof
Komplex" dieses Jahr bereits Oscar-Kandidat. Wie lange wird es
dauern, bis sich Hollywood des Themas mit dem ihm eigenen Aufwand
annimmt?
Ein
Großteil der James Bond Filme lebt wie man weiß vom Kalten Krieg; das
nur nebenbei.
Kann
sich ein, wie ich, im Jahre 1950 Geborener, der 1968 und später als
Student auf eine naive Art Sympathisant war (bzw. dazu gemacht wurde
wegen langer Haare und linker Gesinnung) nun in die Lage von
Zeitgenossen der Nazizeit (die Eltern- und Großelterngeneration)
versetzen? Vielleicht, denn
solange
es eine Jetztzeit gibt, ist Vergangenheit nicht vergangen.
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