Was immer ein Mensch tut, er
oder sie tut es als Mensch, seine Handlung ist, und das kann nicht
anders sein, eine menschliche Handlung. Ein Mensch kann somit unmöglich
unmenschlich handeln, unmenschlich sein. Es sei denn, er trete vollständig
aus seiner menschlichen Existenz heraus in eine Sphäre des
Unmenschlichen eben, eine notwendigerweise auch substantiell
nicht-menschliche Lebensform, sei sie tierisch-viehisch, sei sie göttlich.
Natürlich,
wir haben den Menschen als, sagen wir, biologische Gattung, die sich von
anderen Lebewesen und Lebensformen unterscheidet. Tiere und Steine,
Wasser und Luft sind nicht menschlich. Menschliche Handlungen können
die gleiche bestialische Qualität wie die der Tiere, die gleichen
desaströsen Konsequenzen von Naturgewalten haben, wären aber immer
noch menschlich in der Ausführung.
Selbstverständlich,
wenn wir von unmenschlich reden, meinen wir Handlungen, Einstellungen,
die einem bestimmten Bild von Menschlichkeit widersprechen. Der Mensch
als moralisch und sozial verantwortliches Wesen dieser Erde.
Die große,
grundlegende Frage ist also, wer oder was ist der Mensch. Ohne diese
Frage zu klären, kann vernünftigerweise nichts zu der Qualität einer
danach zu justierenden Unmenschlichkeit gesagt werden. Wer also ist ein
Mensch?
Alle
die menschlichen Wesen, die heute leben? Alle Deutschen, alle Europäer,
alle Amerikaner, Nord und Süd, alle Asiaten, alle Afrikaner, alle
Australier? Gleich welcher Religion sie anhängen, welchem Beruf sie
nachgehen, wie sie ihre Kinder erziehen, welche sexuelle Praktiken ihnen
Befriedigung verschaffen?
Für
einen Punan auf Borneo sind 99,99 Prozent der Menschen unmenschlich,
sofern sie sich deren Existenz bewusst sind, ihren Werten und Taten,
ihren Untaten, die auch die Umwelt der Punan zerstören, ihnen die
Lebensgrundlage rauben. Und für jeden anderen Menschen auf dieser Erde
dürfte ein mehr oder weniger großer Teil der übrigen Menschheit in
einem ähnlich bedrohlichen Licht wahrgenommen werden. Das gilt nicht
nur für das Verhältnis von sich selbst als islamistisch motivierten
Gotteskriegern (Terroristen) und aufgeklärten Europäern, Amerikanern
(Ungläubige). Menschlich, so ein erstes Zwischenfazit, scheint eine
Kategorie zu sein, mit der man den Spielraum benennen mag, in dem sich
jeder, der in der gleichen Zeit, in der gleichen Region Lebende bewegen
möge, um ein Zusammenleben zu gewährleisten, das zum Wohle Aller ist.
Und das ist die, ungenau gefasst, westlich aufgeklärte Sicht der Dinge.
Denn in jeder westlichen Großstadt prallen, wie man weiß, durchaus
unterschiedliche Menschenbilder aufeinander. Das gilt auch, mit veränderten
Vorzeichen, für Städte und Staaten, die in Demokratie und
Menschenrechten Teufelzeug sehen.
Die
Kategorie menschlich/unmenschlich im Hier und Heute zu fixieren
erscheint schwer genug. Was aber ist mit den Menschen, die einst lebten
und unmenschlich waren? Die Nazis, gut, die waren auch nach heutigem und
weitverbreitetem Konsens insgesamt und in individuellen Aktionen
unmenschlich. Aber nicht einmal das gilt überall und unwidersprochen.
Je weiter man jedoch in die Vergangenheit geht, um so schwieriger wird
es, Handlungen nach einem heutigen und vor allem nach welchem
Menschenbild zu beurteilen. Nach welchen Kategorien, Kriterien möchten
wir denn die Handlungen unserer Nachfolger in Raum und Zeit beurteilen?
Selbst wenn wir es gerne so hätten, man kann kaum davon ausgehen, dass
sie sich an unsere heutigen (welche davon?) Vorstellungen halten. Was
immer sie tun werden, sie werden es aller Voraussicht nach als Menschen
tun, selbst wenn sie sich nicht nur technisch und politisch sondern auch
moralisch und ethisch und außerdem, wie ich glaube, biologisch verändert
haben.
Die
Etiketten menschlich und das Gegenstück unmenschlich umfassen soviel
Unterschiedliches in Raum und Zeit, in Religion und Lebensform, dass sie
allein in der Version unmenschlich eine so unüberschaubare Vielfalt
bilden, die gleichzeitig, vorher und nachher menschlich ist. In
menschlichen Dimensionen könnte man die Unmenschlichkeit als ewig
flirrende Größe sehen, die nahe an das heranreicht, was wir göttlich
nennen. Wir, damit meine ich ein paar Menschen im Hier und Heute wie Du
und ich.
Das Englische unterscheidet zwischen human, menschlich in der
Abgrenzung zum Tier, humane als Forderung zu einer
moralisch-ethischen Haltung.
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