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Gefördert und ausgezeichnet ins Abseits? (1999)

"The writer is the person who stands outside society, independent of affiliation and independent of influence. The writer is the man or woman who automatically takes a stance against his or her government. There are so many temptations for American writers to become part of the system and part of the structure that now, more than ever, we have to resist. American writers ought to stand and live in the margins, and be more dangerous. Writers in repressive societies are considered dangerous. That's why so many of them are in jail."
Don DeLillo quoted in Ann Arensberg, "Seven Seconds" Vogue, August 1988

Übersetzung (KDR): Der Schriftsteller ist die Person, die außerhalb der Gesellschaft steht, frei von Verbindungen und frei von Einflussnahme. Der Schriftsteller ist der Mann oder die Frau, der oder die automatisch Haltung gegen seine oder ihre Regierung bezieht. Es gibt so viele Versuchungen für amerikanische Schriftsteller, Teil des Systems zu werden und Teil der Struktur, der wir heute mehr als je zuvor widerstehen müssen. Amerikanische Schriftsteller sollten am Rande stehen und leben und sie sollten gefährlicher sein. Schriftsteller in repressiven Gesellschaften werden als gefährlich angesehen. Deshalb sind so viele von ihnen im Gefängnis."

Die Rede soll hier sein von Literaturförderung, präziser: Autorenförderung. Und zwar insbesondere von derjenigen Förderung, die in den einzelnen Bundesländern betrieben wird, da es aufgrund der Länderhoheit hierzu einen, wenn auch jeweils unterschiedlich formulierten Auftrag in den Landesverfassungen gibt.

Ich glaube nicht, dass man es sich so einfach machen kann, zu konstatieren, AutorInnen mit öffentlicher Anerkennung, hohen Auflagen und vielen Auszeichnungen, sehnen sich eher nach einer ruhigen Position am Rande, wogegen diejenigen, die am Rande stehen und nicht beachtet werden, danach streben, Anerkennung zu finden. Bei einer realistischen Einschätzung muss man anerkennen, dass auch die in den einzelnen Bundesländern Ausgezeichneten ihrer Randstellung nicht verlustig gegangen sind.

Ich will mich hier gegen diese Form der öffentlichen Förderung - was private Geldgeber oder Sponsoren aus der Wirtschaft mit ihrem Geld machen, geht mich nichts an - aussprechen, und zwar weil schlechte Autoren dazu verführt werden, zu glauben sie seien talentiert, und weil andererseits wirklich talentierte fast immer übergangen werden. Das kann nicht anders sein. Man sehe sich zum einen die Namenslisten der Geförderten an, lese zum anderen (Auto)Biografien. Mir ist noch in keiner der Vermerk aufgefallen: Mit einem Arbeitsstipendium des Kultusministeriums yxz ausgezeichnet. Bekanntermaßen sind wirkliche Begabungen äußerst selten; man kann sie nicht mehrfach in jedem Bundesland und das jedes Jahr erwarten. Wenn dagegen mal eine wirkliche Begabung auftauchen sollte, werden die Juroren sie mit großer Sicherheit nicht erkennen. Es sei denn, sie seien kongenial. Und da kein Genie unumstritten ist, müssten sie kongenial in Bezug auf gerade diese geniale Begabung sein. Das wäre schon ein doppelter Glückstreffer und bleibt damit doppelt unwahrscheinlich. Ehrlicher wäre eine lakonische Haltung und das Bekenntnis zum Mittelmaß. Dass auch das Mittelmäßige einen Wert hat, halt ich für unbestreitbar. Ob man sich selbst damit zufrieden gibt, ist allerdings eine ganz andere Frage.

Will man noch irgend etwas retten, sollte man endlich davon abkommen, irgend welche Lehrer, die in ihrer Freizeit Gedichte und Aphorismen verfassen, irgend welchen experimentellen Gedichten und Kurztexten literarische Qualität bescheinigen zu lassen. Es werden nämlich so gut wie keine RomanautorInnen gefördert, obwohl die wenigen Profi-Schreiber im Lande von Romanen und/oder Drehbüchern leben. Ganz abgesehen davon, dass man auch noch die letzten Reste eines potentiellen Publikums verprellt: "Wenn das die förderungswürdige Literatur in diesem Lande ist, kauf ich mir lieber einen Bestseller im Supermarkt."
Warum um Himmelswillen schickt man die jungen Leute mit öffentlichen Geldern auf den lyrischen Trip ins Nirgendwo? [Das hat sich mittlerweile, August 2001, nicht zuletzt wegen des "Fräuleinwunders" und "Pop" a la Stuckrad-Barre geändert.] Den Kür-Teil (eigene Texte) kann man getrost beibehalten, wenn man einen knallharten Pflicht-Teil einführt. Ein Test, indem die KandidatInnen ihr handwerkliches Können und Wissen unter Beweis stellen, denn die wirklich Begabten verstehen etwas von ihrem Handwerk und wissen, was sie tun. Das ist in den anderen Künsten, gegenüber denen sich die Literatur so gerne benachteiligt sieht, seit langem üblich. Und es wäre vergebens, wenn der Pflicht-Teil von Staatsbeamten entwickelt würde.

Die eingangs zitierte Aussage machte DeLillo mit 52, als er anfing, Erfolg zu haben. Seine erste Auszeichnung hatte er vier Jahre zuvor erhalten. Ich zitiere ihn, weil ich gerade ein Buch über ihn lese (Douglas Keesey, Don DeLillo, New York 1993), die Zitatliste ließe sich aber beliebig verlängern. Es werden weiterhin untalentierte AutorInnen gefördert werden, weil der Auftrag dazu da ist wie das Geld. Die Autoren werden nicht darauf verzichten wollen: Im Gegenteil sie schreien nach mehr; und dass sie sich gerne einem Test unterziehen, glaube ich kaum. Denen, die laut schreien, wird gerne pauschal vorgehalten, sie seien ja nur die neidvollen Zukurzgekommenen. Ich empfehle den Zukurzgekommenen die Lektüre von Biografien bedeutender SchriftstellerInnen, Einsichtnahme in die Namenslisten der Geförderten der letzten Jahrzehnte. Und dann kann jeder selbst entscheiden, ob er oder sie besser oder schlechter ist und ob er oder sie da nicht lieber außen vor und integer bleibt.

Natürlich hoffe ich darauf, dass meine Argumente überzeugen; ich weiss aber auch, wie persönliche Überzeugungen zustande kommen, nie ohne persönliche Erfahrung nämlich. Also: Ich bin Jahrgang 1950, habe 1974 angefangen zu schreiben und kann Ende des Jahres [1999] auf fünfundzwanzig Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Ab Mitte der Achtziger habe ich mich intensiv als Funktionär um die Verbesserung der Literaturförderung bemüht in Rheinland-Pfalz und später auch auf Bundesebene. Ich habe viel gelernt, aber ich habe so wenig ändern können wie alle, die sich mit mir, vor mir und nach mir bemüht haben.

Mir persönlich hat das erst recht keine Förderung oder Auszeichnung gebracht, das kann niemanden verwundern und war auch nie mein Antrieb. Ich habe zudem nie zu denen gehört, die sich jederzeit und überall um alles bewerben in der Hoffnung, irgend wann müssen sie mich doch auch einmal nehmen.

Wenn man Dinge nicht ändern kann, das ist meine Meinung, sollte man seine Einstellung dazu ändern, das heißt auf jeden Fall Konsequenzen ziehen. (Käme man zu der Einsicht, ein repressives, diktatorisches System, in dem man lebt, nicht ändern zu können, bliebe, denke ich, nur die Flucht oder der Kampf). Man hat mir mal wieder in Aussicht gestellt, an einer Podiumsdiskussion über Literaturförderung teilzunehmen; der Ruf ändert sich noch langsamer als Einstellungen. Ich denke, es wird nicht nötig sein. Das Internet ist unmittelbarer und bewahrt meine Integrität in einer selektiven Öffentlichkeit, in der ich mich nicht den politischen und Medienmachtstrukturen ausliefern muss. Ohne Abhängigkeiten geht es bekanntlich auch hier nicht. Aber weder die Telekom, noch Bill Gates nerven mich mit LITERARISCHER QUALITÄT.

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