In a dark time, the eye begins to see,
I meet my shadow in the deepening shade;
I hear my echo in the echoing wood—
"In a Dark Time" from Collected Poems of Theodore Roethke, 1963
Die usurpatorische Video-Konferenz-Regierung, die seit einem Jahr das Leben in der Bundesrepublik Deutschland diktiert, und ihre plan- wie hilflosen Lockdowns wären ohne die nahezu uneingeschränkte Unterstützung der 68-er Generation, die Baby-Boomer, also die nach dem 2. Weltkrieg bis etwa 1960 Geborenen, nicht denkbar.
Man könnte es sich leicht machen und feststellen, dass sie in Rente oder kurz davor sind und nichts mehr zu verlieren haben. Außer ihrer Gesundheit, ihrem Leben womöglich durch das Virus. Nach dem Motto: Der Lockdown trifft alle gleich. Die Rentner verzichten ein Jahr lang auf ihre Kreuzfahrten, die Jungen auf Schule, Ausbildung und Universität. Party und Spaß sowie so.
Das würde immer noch nicht erklären, warum diese Generation, die durch ihre kritische Haltung eine sozial-liberal-ökologisch geprägte Gesellschaft aus dem Hitler-Deutschland und den muffigen 50-er Jahren ermöglicht hat, willkürliches, durch keinerlei objektive Zahlen belegtes Regierungshandeln toleriert, das nicht nur Existenzen bedroht, natürlich vor allem junge und solche, die am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehen und womöglich mit Firmengründungen in die Pleite gehen. Warum sie nicht nur klaglos hinnimmt, sondern vehement verteidigt, dass Freiheitsrechte brutal kastriert werden. Krass, oder?
Ist das der letzte Kampf einer Generation, die sich sicher fühlt, weil sie ja die Generation ist, die rebelliert hat, die die Gesellschaft verändert hat: Die heute Jungen werden es nicht wagen, gegen die Rebellen von damals anzutreten. Warum haben die 68-er kein schlechtes Gewissen? Das Zauberwort ist Solidarität. Und Solidarität ist gut. Im Lockdown sind alle gleich. Das gibt ein wohliges Gefühl. Das kennt man von früher, von Demos, von Sit-Ins, von großen Events wie Woodstock.
Aber Scheiße nein, im Lockdown sind wir nicht gleich. Wo die Gewinner sind, z. B. die großen Internet-Konzerne (und das ist ein Paradoxon, das keinen ‚Alternativen‘ zu stören scheint), wissen wir, und wir wissen auch, wer die Verlierer sind, Künstler, Selbständige, Kleingewerbetreibende, Menschen, die mitten im Leben stehen, bzw. gerade versuchen, sich darin einzurichten.
Dass wir das Virus und seine Folgen bekämpfen müssen, ist, denke ich, auch bei den Lockdown-Verlieren mit Verstand Konsens. Warum aber werden keine kritischen Stimmen bei den Altrebellen laut beim Umgang zum Beispiel mit den Zahlen? Die Inzidenzen werden hochgerechnet und haben bei nur 32 zusätzlichen Infektionen zu einer Inzidenz von über 900 geführt (Kreis Tuttlingen, Wandergruppe). Da bliebe ja nur noch die militärische Abriegelung des gesamten Gebiets. Auch die Zahl der Neuinfektionen wird nicht in Relation gestellt zu der Zahl der Getesteten, ist also nicht aussagekräftig, was das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung betrifft.
Aber mit diesen Zahlen werden die drastischen, existenzzerstörenden, freiheitsberaubenden Maßnahmen begründet. Warum fordert man da nicht endlich saubere Arbeit ein? Das Virus ist vor über einem Jahr erstmals aufgetreten! Systematische Testungen, um die Entwicklung der Pandemie zu beobachten. Noch nicht einmal in Hotspots hat man Testungen durchgeführt, sondern im Prinzip den, abgesehen von moderaten Verschärfungen, gleichen Lockdown durchgeführt wie in Regionen mit niedrigen Inzidenzen (so fragwürdig diese Zahlen auch sein mögen). Und es zeigt sich: Je länger die Krise dauert, umso deutlicher wird die zweifelhafte Aussagekraft der Zahlen. Derzeit, Ende Februar 2021, hohe Inzidenzen, hohe Zahl von Neuinfektionen, aber sinkende Todes- und Belegungszahlen in den Intensivstationen. Das heißt, das Infektionsgeschehen verändert sich ständig, ohne dass die Zahlen es angemessen abbilden könnten. Aber die Maßnahme bleibt gleich: Lockdown.
Ständig wird der bescheuerte Gegensatz aufgemacht: Lockdown oder Lockerungen. Warum werden nicht endlich aufgrund valide ermittelter Werte gezielte Maßnahmen ergriffen, das hieße vor allem differenzierte Maßnahmen, die in Bereichen viel schärfer ausfallen müssten, als das, was derzeit großflächig passiert. Aber dann müsste man vernünftig argumentieren können; gegen das unsinnige Verlangen nicht nur nach bundesweit einheitlichen Regeln, sondern auch denselben Maßnahmen. Der einheitliche, undifferenzierte Lockdown, verhindert keine Wellen und er verlängert die Pandemie unnötig. Flexibel und wachsam sein, bereit, ständig nachzujustieren, das wäre das Mittel und das genaue Gegenteil zum planlosen Lockdown seit einem halben Jahr.
Nach dem ersten Lockdown im letzten Jahr hätte man anfangen müssen, einmal pro Woche eine ausreichende Anzahl Probanden zu testen, um statistisch valide Daten zu erhalten. Dann müssten die Zahlen benachbarter Gesundheitsämter zusammengelegt werden, bis mindestens 100.000 Einwohner zusammenkommen, um die durch die Hochrechnerei verursachten grotesk hohen Inzidenzen und die damit verbundenen Konsequenzen zu vermeiden. Wir wüssten heute nicht nur genauer über den Verlauf der Pandemie Bescheid, wir hätten sie auch besser im Griff und womöglich Menschenleben retten können.
My generation: Ich war immer stolz und glücklich, zu der Generation zu gehören, die mit LOVE & PEACE die Welt verändern wollte, die Obrigkeitsdenken ablehnte und Regierungshandeln kritisch kommentierte. Und es gibt sie ja immer noch, die unabhängigen Geister, die Dissidenten, die ihre Stimme gegen Willkür und Inkompetenz erheben.
Das Gedicht von Theodore Roethke hat mich durch die Krisen meines Lebens begleitet, und es gab einige. Das Gedicht hat vier Strophen mit je sechs Zeilen. Eingangs die ersten drei und so lauten die letzten drei Zeilen:
A fallen man, I climb out of my fear.
The mind enters itself, and God the mind,
And one is One, free in the tearing wind.
Klaus-Dieter Regenbrecht, Koblenz im Februar 2021
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