Wovon ich erzählen will:
Unsere fröhliche Dampferfahrt auf
dem Rhein, mit der „Goethe" nach Rüdesheim und zurück. Als wir
uns in die Arme fielen, und mir klar wurde, es muss etwas geschehen. Der Höhepunkt
im Repertoire der Paarungsspiele! Die Paarung selbst. Was mir gerade einfällt,
Kado, meine Eltern sind irgendwann in den Fünfzigern mit dem Roller
durchs Rheintal gefahren, sie sind ja aus dem Ruhrpott erst später
hierher gezogen. Ich hab noch Fotos von ihnen, fällt mir ein, vor der
Loreley auf dem Heinkel-Roller, meine Mutter mit Rock und Petticoat,
schlank, schlank, unglaublich schlank mit Wespentaille und weißer Bluse,
und verliebt sehen die beiden aus, sie sind noch nicht verheiratet, an
mich denkt niemand auch nur im entferntesten, mein Gott, sehen die
verliebt aus! Ich werde das Foto einscannen und Dir mailen.
Also verliebt, dass ich mich in Dich
verliebt hatte, wurde spätestens an dem Punkt klar, als ich anfing, mir
Gedanken zu machen, wie und wo und wann wir uns zum ersten Male lieben
sollten. Heinkel-Roller hin und Heinkel-Roller her! Nachdem der Hund uns
angefallen und zu Fall gebracht hatte, der Hund! Unser kynologischer
Geheimagent der Liebe. (Gynäkologischer
WAS?)
Früher waren meine Vorstellungen von
einem solchen Höhepunkt eher von Bildern aus Fernsehserien geprägt.
Satinwäsche und Champagner im Kübel, Strapse und rote Rosen. Nach einem
schönen Abend mit einem Essen, Kino und so. Mit dem Versprechen vor allem
und der Aussicht auf ewige Treue. Nein, unser erstes Mal sollte auf der
Loreley sein. Die Satinwäsche und der Champagner konnten ruhig noch ein
wenig warten.
Bei der Loreley jedoch fing ich an zu
zaudern, ob es richtig wäre. Ob es nicht einen Reinfall gäbe. Wir müssten
irgendwie zurückfahren von Koblenz zur Loreley, wir müssten Decken
mitnehmen. Ich kannte das Gelände von Konzerten her. Ob es auch umzäunt
war, wenn keine Veranstaltung lief? Und wenn uns jemand da erwischte?
Vielleicht wimmelte ja der Felsen nachts von Liebespaaren, japanischen
Liebespaaren, die jahrelang sparten, um einmal auf der Loreley zu vögeln.
Stöhnen um uns herum, und Liebesgeflüster in allen Zungen dieser Erde,
Schleimhäute, die mit anderen Schleimhäuten auf die verschiedensten
Arten und Weisen in Kontakt traten, und mir jetzt schon eine Gänsehaut
machten. Ja, ich war geil, verdammt ja, ich wollte mit ihm ficken, aber
alleine, ich wollte nur unser Stöhnen hören, nur die schmatzenden Geräusche
unserer Schleimhäute, unser Seufzen und unser Stöhnen.
„Warum seufzt du so, Mel? Hast du es
so schwer?"
Wir sahen uns an und dann küssten wir
uns und die Loreley verschwand und von den Leuten auf dem Schiff sah und hörte
ich nichts mehr. Ich war versunken und abgetaucht in seinen Mund, zwischen
seinen Lippen und Zähnen wand und schlängelte sich meine Zunge, meine
Lippen. Wir sprachen die andere Sprache, endlich. Die ganze Verzauberung,
die unendlich schöne Verspieltheit und zärtliche Tändelei, unser
verliebtes Necken und Naschen, war wie weggeblasen, verschwunden,
verstummt. Was nun kam, war fordernd, hart, schrie die Sprache des Körpers,
die Sprache des Verlangens. Seine Zunge war ein Instrument der Erpressung
und Eroberung. Ich selbst war Pionier und drang immer weiter vor, schob
alle Bedenken beiseite: Mich interessierten keine drohenden Strapazen,
keine Furcht vor Krankheiten, keine Angst vor Schwäche und Scheitern. Ich
wollte es und ich wollte es jetzt, und er wollte es sofort und an Ort und
Stelle.
Als sich aber unsere Körper
voneinander, meine Brüste sich von seinem Oberkörper lösten, die Lippen
einander freigaben und Luft einsogen, sein Penisdruck auf meinen Venushügel
nachgab, unsere Hände anfingen, Kleidungsstücke zu öffnen, nahm ich die
Umgebung wieder wahr.
„Nicht hier, bitte, Kado, hier
nicht."
Er sah sich um und ich wusste, was er
vorhatte. Eine dunkle Ecke, in die er mich bugsieren würde, eine Bank,
auf die er sich setzen könnte, mich rittlings auf seinen Schoß nähme;
aber ich hatte keinen Rock an, und meinen weißen Hintern sollte niemand
zu sehen bekommen, niemand außer ihm.
„Komm", sagte er, nahm meine
Hand, küsste mich noch einmal so dringend, dass ich ihm folgte. Auf der
Toilette war es, nach der frischen Abendkühle auf dem Freideck draußen,
heiß, fast stickig, es roch nach Männerurin und Motorenöl und merkwürdigerweise
Mandelblütenduft und die Dampfmaschine stampfte sachte und sonor. Als er
in mich eindrang, empfand ich die Wollust einer fleischfressenden Pflanze,
und ich war nahe daran, die Besinnung zu verlieren, ich war ganz erfüllt
von ihm, durch und durch, wusste buchstäblich nicht mehr, wo oben und
unten war, ich hielt die Luft an, stieß sie mit einem Seufzer aus und
oben ließ der Kapitän Dampf ab. Ein befreiender, aus dem tiefsten Innern
von Stahl, Wasser und Flammen kommender, heißer Dampfstrahl zischte weiß
und voluminös in die Abendluft. Einen so langen, satten und sanft in der
Tiefe modulierten Ton mit kaum hörbaren helleren, höheren Obertönen
schaffen nur alte Dampfer. Dann hörte ich triumphierend die Schiffsglocke
läuten. In einem Umkreis von mehreren Kilometern wussten alle Menschen,
die "Goethe" war gekommen. |