Zettelkasten, Zettel
Sprach und Literatur |
Hier blüht die
Blume Hajella. Handke, Jelinek, Laederach, der Neuen Deutschen Literatur (Neu
Deli) willkürlich ernannte Protagonisten, die ohne weiteres durch eine Unmenge
anderer ersetzt werden könnten. So wäre auch eine Halleluja-Literatur zu
definieren.
Hajella klont die Sätze.
Ausgangsmaterial sind Sätze mit unterschiedlicher Tiefen- und
Oberflächenstruktur. Dann werden Klone angesetzt, die die Oberflächenstruktur
bei gleichbleibend unterschiedlicher Tiefenstruktur vereinheitlichen. Es ist
ohne Zweifel ein genialer Kunstgriff, Klone kreativ einzusetzen. Hajellatexte
sind von allerhöchster Ästhetizität. Die Krux liegt darin, dass es in Neu Deli
nur noch Hajella-Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt, die Klone auf die
Oberflächenstruktur ihrer Texte ansetzen. Kafka war einer der ersten, der,
damals noch ohne gentechnisches Know-how, einen ähnlichen Effekt
erzielte.
Die heutigen
Hajella-Einheitslangweiler schaffen den Einstieg in die gentechnische
Literarizität entweder durch Konditionierung oder durch Software. Es gibt auch
Hajella, bei denen alle Sätze eine identische Tiefenstruktur haben. Diese
Kunstwerke sind von den normalen Hajellatexten, denen nämlich mit variierender
Tiefenstruktur, geklonter Oberflächenstruktur, natürlich nicht zu unterscheiden,
es sei denn, und auch das ist eine in Neu Deli gern genutzte Möglichkeit, man
setzt sogenannte Chamäleonklone (Klone mit dem Mutationsbefehl "popmoderner
Trivialroman" z.B.) an, die die Oberflächenstruktur vielfältig erscheinen
lassen.
Die Wurzelextraktion mit
Vorhaut und Schamhaar. Brüllen müssen Sie. Brüllen vor Schmerz. Am Anfang ist
nicht das Wort. Am Anfang ist der Schmerz. Am Anfang wird gebrüllt. Unser erster
Sprachraum ist der Kreißsaal, und der Mutter Sprache ist unser aller
Muttersprache: Stöhnen und jammern, brüllen und wimmern. Urschrei und
Urknall.
Die Studentin Stella Stomski
ist von einem Sternchen entbunden worden. A star is born in Borneo im Neonlicht
Westberlins, September 1989. Den Knüller gleich vorne weg. Mona Stomski hat mit
zunehmendem Spracherwerb ihre erworbene Immunschwäche überwunden. Die
Aidsinfektion hatte Mona von ihrer Mutter mitbekommen als Mitgift. Stella
Stomski wiederum wurde von dem fahrenden Seemann Samuel Spieker mit der
tod-bringenden Abwehrschwäche behaftet. Bei Mona und Stella Stomski stammten
Konzeption und Infektion aus genetisch konfektionierter Quelle, sprudelte das
verseuchte Sperma aus seemännischem Stamme. Ein Bündel DNS mit einem Schwanz.
Samuel Spiekers Spekuliernippes passte aber noch lange nicht in jede
konfektionierte Größe von der Stange.
(...)
An den Spielen ihrer Kinder
sollt ihr sie erkennen, weil die Erwachsenen sie sich ausdenken - die Bücher und
die Kinder? Spielbuch mit dreigeteilten Seiten. Um weiterzublättern, muss das
Kind also dreimal zuschlagen, um umzuschlagen, um nicht aus der Art zu schlagen.
Vierfarbige Tierzeichnungen mit dreisilbigen Tierbezeichnungen. Such as
Kän/gu/ruh, Sta/chel/schwein, Ze/bra/fink, Wur/zel/bär usw. Die Kinder können
Tiere herstellen, bei denen sie Kopf, Rumpf und Hinterteil beliebig miteinander
kombinieren. Das heißt, wir haben ein gentechnisches Spiel,
wollmilchtragendeeierlegendekotelett Giraffe. In the very same a-speckt ist es
ein sprachkreatives Buch: Känchelfink, Stabrabär, Zezelruh, Wurguschwein and so
on and on and on eternally.
Nachdem Stella Stomski erfahren hatte, dass sie
nicht nur schwanger, sondern auch aidsinfiziert war, entschloss sie sich zu
einem außerordentlichen Schritt. Als promovierende Zoologin besaß sie selbst
einige Kenntnisse, vor allem aber ausgezeichnete Kontakte zu ausgewiesenen
Koryphäen auf den Gebieten der Immunologie und der Gentechnik.
Aus: Stellas Promotion © by Klaus-Dieter Regenbrecht, 1993, zurück zum |